Fußball und Menschenrechte

„Die beste WM aller Zeiten“ soll sie werden, meint FIFA-Präsident Gianni Infantino, die Fußballweltmeisterschaft der Männer, die in wenigen Wochen in Katar beginnt. Doch die Kritik an der Vergabe wird immer lauter: Der Golfstaat wird von einer absoluten Monarchie regiert. Gestern diskutierten in Breklum Expertinnen und Experten über Menschenrechtsverletzungen in Katar und wie darauf reagiert werden kann.

Auf dem Podium waren Marc Fahrenkrog und Jonas Kaiser vom Fanprojekt Kiel zu Gast. Sie warben für einen Boykott der WM, auch wenn es ihnen als eingefleischten Fußball-Fans schwer fallen wird. Regina Spöttl von Amnestie International hielt dagegen, dass den 2,3 Millionen Arbeitsmigrantinnen und -Migranten damit nicht geholfen sei, sinnvoller sei es, mit öffentlichem Druck auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu drängen. Jürgen Muhl, ehemaliger Chef- und Sportredakteur des shz übte zwar scharfe Kritik an der FIFA und der Vergabe-Struktur, hob aber die Freude und das vereinende Moment am Fußball hervor. „Nach zwei Jahren Pandemie brauchen wir das einfach“, sagte er. Dietrich Schulze-Marmeling, Co-Autor des Buchs „Boykott Katar 2022!“ erinnerte an den Bestechungsskandal der FIFA, der bereits 2011 aufflog, ein Jahr nach der Bekanntgabe des Austragungsortes. „Das ist eine kriminelle Vereinigung gewesen, die das beschlossen hat. Man hätte schon damals die Vergabe zurückziehen müssen.“ Via Zoom war Ewald Lienen, ehemaliger Bundesligaspieler für Bielefeld und Gladbach, zugeschaltet, der immer wieder die globale Perspektive der Klimakatastrophe einbrachte. „Katar ist nur ein Symptom von dem, was wir in der ganzen Welt haben: Es geht nur ums Geld. Und wir sind als Konsumenten mitverantwortlich, wir haben nichts dagegen getan. Was da passiert, ist unsäglich.“ Lienen hatte sich bereits 1978 kritisch zur Fußball-WM in Argentinien geäußert, das damals von einer Militärjunta regiert wurde.

Lösungen gab es nicht, aber viele Denkanstöße. Wenn auch die WM in Katar nicht mehr zu verhindern sei, so könne man doch die Sponsoren boykottieren, die nur zu einem geringen Teil auf die Anfragen und Forderungen von Menschenrechtsorganisationen reagiert hatten. Man müsse auf die FIFA Einfluss nehmen, dass die bei der Vergabe auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten habe. Marc Fahrenkrog schlug vor, bewusst Alternativ-Veranstaltungen zu den Spielen zu organisieren, und Jürgen Muhl warf die Frage auf, ob denn überhaupt Fußball-Weltmeisterschaften in Nicht-Fußball-Ländern ausgetragen werden sollten.

Organisiert wurde der Abend von Karsten Wolff, Ökumenereferent im Evangelischen Regionalzentrums Westküste (ERW), in Zusammenarbeit mit Nora Steen vom Christian Jensen Kolleg (CJK). Friedemann Magaard, Pastor in Husum, moderierte gemeinsam mit Karsten Wolff die Veranstaltung, die hybrid angeboten wurde: Etwa 40 Teilnehmer trafen sich in Präsenz, am Bildschirm kamen noch einmal 20 hinzu. Die Präsenz-Teilnehmer hatten den klaren Vorteil, dass sie sich am Torwandschießen messen konnten. Bier und Bratwurst gab es auch, so dass zwischen „Anpfiff“ und „Abpfiff“ einem schönen Abend trotz des ernsten Themas nichts im Wege stand.

Info: In Katar arbeiten zurzeit 2,3 Millionen Menschen aus anderen Ländern an Stadien und Infrastruktur für die WM 2022. Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, Überstunden werden oft nicht bezahlt, Löhne einbehalten und die Unterkünfte sind katastrophal. Teilweise werden Pässe einbehalten, Ausreisewillige müssen hohe Gebühren entrichten. Nach Schätzungen von Amnestie International sind mehr als 15000 Arbeiter an unklaren Ursachen gestorben. In Katar haben Frauen stark eingeschränkte Rechte, Homosexualität gilt als Straftat. Das Land gilt aufgrund seiner Gasvorkommen als eines der reichsten der Welt.