Ladelund – Der Volkstrauertag ist ein seltsamer Tag im Jahreslauf: Zum Gedenken an die vielfältigen Opfer der beiden Weltkriege treffen sich Bürger- und Christenvertreter mit zunehmender Ratlosigkeit in Anbetracht der langsam aussterbenden Veteranen und Angehörigen an den immer noch so genannten „Ehrenmälern“, den traurigen Gedenktafeln für die im Krieg gebliebenen Soldaten. Gleichzeitig ist bei allen Beteiligten die Gewissheit so stark wie nie, dass das unzählige Leid nicht vergessen werden darf. In Ladelund hat der Volkstrauertag ein besonderes Gewicht: In der kleinen Gemeinde nahe der dänischen Grenze stand ein KZ. Am Volkstrauertag steht in Ladelund seit sehr vielen Jahren die Erinnerung daran und die Begegnung mit den Hinterbliebenen der Opfer im Mittelpunkt. Der diesjährige Volkstrauertag war gleichzeitig die Eröffnung der neuen Ausstellung Dokumentenhaus nahe bei den Gräbern.
Meine Seele sehnt sich
„Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott“ – Verse des 84. Psalms waren für die Männer aus dem niederländischen Putten geistliche Wegzehrung, als sie sich am frühen Morgen des 2. Oktober 1944 zum letzten Mal in ihrer Heimatkirche trafen. Danach wurden sie nach Neuengamme deportiert, für viele von ihnen ging es weiter nach Ladelund. Die meisten kehrten nie zurück.
Hilflos mussten die Ladelunder zusehen, wie der Zug des Schreckens täglich aus dem völlig überfüllten Lager zur Zwangsarbeit an den Panzerabwehrgraben marschierte. Zunehmend ausgezehrt waren die Männer, unterernährt, erschöpft, unterkühlt, misshandelt. Die Ruhr fand in ihnen wehrlose Opfer. Innerhalb von nur sechs Wochen starben 300 Männer.
Versöhnung über den Gräbern
In Ladelund begann die Aufarbeitung des Schreckens früh: Bereits 1946 suchte Johannes Meyer, der damalige Pastor der Kirchengemeinde, Kontakt zu den Angehörigen. Er fand Worte, die die Schuld benannten, und gleichzeitig trösteten. Aus diesen Briefen entstand eine Jahrzehnte und Generationen überdauernde Freundschaft zu den Puttenern, die Haus um Haus Vater, Bruder, Sohn oder Ehemann betrauerten. Über den Gräbern begann Versöhnungsarbeit, die in ihrer unmittelbaren Menschlichkeit und in der Persönlichkeit der Kontakte bundesweit einzigartig ist. Der Volkstrauertag in Ladelund ist insofern besonders, als auch in diesem Jahr wieder eine Delegation aus Putten dabei war. Erinnerungskultur ist in Ladelund mehr als nur ein Wort. In Ladelund gehört die Kultur der Erinnerung zur Identität des Dorfes.
Das KZ im Dorf
„Das KZ im Dorf“ heißt die neue Ausstellung, die genau dieses alles aufgreift und beschreibt. Sie erzählt von Menschen, sie gibt den Opfern ein Gesicht, lässt die Angehörigen zu Wort kommen, Familiengeschichten, die nicht fortgeschrieben werden konnten, werden hier lebendig. Sie spürt dem Lager in Ladelund nach, einem Dorf, das nicht vergessen wollte, was es gesehen hatte. Didaktisch vielfältig, mit Hör- und Filmstationen sowie Biografiebüchern, immer viersprachig auf Dänisch, Deutsch, Holländisch und Englisch lädt sie zum Verstehen und Begleiten ein und dazu, sich dieser in Ladelund lebendigen Erinnerungskultur anzuschließen.
Feierliche Eröffnung
Viele Gäste waren zur zweitägigen Eröffnung gekommen. Maria Bering vom Staatsministerium für Kultur und Medien, Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Stefan Link, stellv. Vorsitzender des Vorstands der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten sowie Gothart Magaart, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, sprachen Grußworte. Auch Dr. Angelika Königseder, Kuratorin der Ausstellung und Raimo Alsen, Leiter der Gedenk- und Begegnungsstätte kamen zu Wort. Die für das neue Konzept benötigten 500000 Euro waren von Bund, Land, Gedenkstiftung und dem Kirchenkreis Nordfriesland aufgebracht worden. Die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund ist bundesweit die einzige in der Trägerschaft einer Kirchengemeinde.