„Gemeinsam sind wir stärker als allein“ 

15 Jahre lang prägte Propst Jürgen Jessen-Thiesen den Kirchenkreis Nordfriesland

Offen, innovativ, geduldig, wohlwollend, wertschätzend, freundlich, aufrichtig, klug, strukturiert, konstruktiv – langjährige Weggefährtinnen und -gefährten geraten regelrecht ins Schwärmen auf die Frage, welche Eigenschaften sie an Propst Jürgen Jessen-Thiesen besonders schätzen. „Eine seiner Stärken ist das große Interesse an einem offenen Meinungsaustausch. Stichhaltige Argumente lässt er dann auch in seine Entscheidungen einfließen. Das führt zu guten Ergebnissen und zu einem wertschätzenden Umgang“, beschreibt Heike Büge, seit fünf Jahren seine Assistentin und enge Mitarbeiterin. Trotz seines vollen Terminkalenders habe er immer ein offenes Ohr für Sorgen und Themen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vermittle ihnen das Gefühl, alle Zeit der Welt für sie zu haben. 

Nach 15 Jahren Dienstzeit verabschiedet sich der Kirchenkreis Nordfriesland am 28. April in tiefer Dankbarkeit von Propst Jürgen Jessen-Thiesen. In einem feierlichen Gottesdienst in der St. Marien-Kirche in Husum entpflichtet ihn zunächst Bischöfin Nora Steen, anschließend findet ein großer Empfang in der Hermann-Tast-Schule statt. Die Anzahl der Gäste ist groß. Denn Propst Jürgen Jessen-Thiesen war die treibende Kraft hinter zahlreichen Projekten, die den Kirchenkreis im hohen Norden geprägt haben. Unter anderem etablierte er das Evangelische Regionalzentrum Westküste, unter dessen Dach sich die Kinder- und Jugendarbeit, die Frauenarbeit, die ökumenische und diakonische Bildungsarbeit, die Arbeitsstelle „Integration von Geflüchteten“, die Urlauberseelsorge, die Öffentlichkeitsarbeit, das Fördermittelmanagement und das Fundraising versammeln. Er gründete das Friedhofswerk, das viele Gemeinden entlastet hat und in enger Kooperation mit den Kommunen die Friedhöfe auf zukunftsfähige Beine stellt. Und er engagierte sich in besonderem Maße für die Sanierung der denkmalgeschützten Kirchen auf Eiderstedt. 

„Unsere Kirchen sind regionale Kulturschätze. In ihnen finden nicht nur Gottesdienste und Konzerte statt, sondern sie bieten auch unserem sozialen und kulturellen Leben Raum. Hier geht es um das Menschliche und um das Göttliche, um die Hoffnung und das Vertrauen, um Trauer und Glück. Ohne unsere Kirchen würden nicht nur die Dörfer, sondern auch unser Leben die Mitte verlieren“, erklärt Propst Jürgen Jessen-Thiesen sein Interesse. Professor Dr. Stefan Krüger, Präses der Synode des Kirchenkreises, würdigt seinen Einsatz für den Erhalt der Kirchenlandschaft Eiderstedt ausdrücklich: „Sein Engagement ging weit über das hinaus, was das Amt erfordert hätte. Ihm ist es maßgeblich zu verdanken, dass diese Schätze auch für nachfolgende Generationen erhalten bleiben.“

Wichtig war Propst Jürgen Jessen-Thiesen zudem die Unterstützung der Diakonischen Werke in Husum und Südtondern, der Pflegediakonie Nordfriesland, der Diakonie auf Eiderstedt und in Riddorf und der Husumer Horizonte. „Diakonie ist Kirche. Sie ist ein Wesensmerkmal und eine Lebensäußerung, ohne die Diakonie wäre die Kirche ein Torso“, erklärt Propst Jürgen Jessen-Thiesen. Wie eng Diakonie und Kirche im Selbstverständnis des Kirchenkreises Nordfriesland mittlerweile zusammengehören, zeigt unter anderem das Projekt „Friedenskirche“ in Husum. Die Friedenskirche ist die erste Kirche in Nordfriesland in der Hand eines Diakonischen Werkes, in ihren Räumen ist Platz für praktische Diakonische Arbeit und Gottesdienste.

„Dieses diakonische Kirchenbild hat uns verbunden und ist mitverantwortlich für die sensationelle Entwicklung der Diakonie in Nordfriesland“, antwortet Volker Schümann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes in Husum, deshalb sofort auf die Frage nach Propst Jürgen Jessen-Thiesen. Und so wie die Diakonie in die Kirche hinwirke, so wirke die Kirche auch in die Diakonie, fährt er fort. Es sei ihnen beiden ein Anliegen gewesen, Diakonische Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die eher wenig Berührungspunkte mit der Kirche hätten, in der Kirche ein Zuhause anzubieten. „Wir hatten eine großartige, vertrauensvolle und strukturierte Zusammenarbeit, aus der viel Gutes hervorgegangen ist – und für die ich dankbar bin“, fasst es Volker Schümann zusammen. 

Wie weit das Engagement des Propstes ausgestrahlt hat, zeigen auch die sehr persönlichen Abschiedsworte der amtierenden EKD-Ratsvorsitzenden und Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs, die ihn schon lange auf seinem Weg begleitet: „15 Jahre hat Jürgen Jessen-Thiesen sein Propstamt klug und kompetent ausgefüllt und ist zweifelsohne ein Glück für unsere Nordkirche.“ Seine freundliche, aufrichtige und empathische Art mache jede Zusammenarbeit leicht und konstruktiv, seine Strukturiertheit in der Sache fördere zielgerichtetes und lösungsorientiertes Arbeiten, so die Bischöfin. „Zupackend und weitsichtig hat er schon in den Kirchenkreisen Dithmarschen und Rendsburg sowie in der ehemaligen Nordelbischen Kirche Reformen vorangebracht, die in schwierigen Zeiten stabilisiert haben. Im Kirchenkreis Nordfriesland hat er sich überdies für eine diakonische Kirche sehr engagiert. Dabei hat er sein Leitungsamt immer zur Förderung und Stärkung seiner Mitarbeitenden genutzt. Ich möchte mich für viele Jahre wunderbarer Weggemeinschaft bedanken und wünsche ihm von Herzen alles Gute und viel Segen für sein neues Lebenskapitel.“

Fragt man Propst Jürgen Jessen-Thiesen selbst nach der Bilanz seiner Arbeit, formuliert er es so: „Ich durfte mit Menschen zusammenarbeiten, die sich mit aller Kraft für andere Menschen und damit für unsere Gesellschaft einsetzen, das habe ich immer als sehr erfüllend und Sinn stiftend empfunden.“ Der Grundsatz seiner Amtszeit, seines Führungsstils und damit seiner gesamten Arbeit lautete: „gemeinsam sind wir stärker als allein“. Es sei für ihn selbstverständlich gewesen, seine Projekte in enger Absprache und mit Unterstützung vieler Kolleginnen und Kollegen umzusetzen. 

Die zukünftigen Herausforderungen für den Kirchenkreis Nordfriesland liegen für Propst Jürgen Jessen-Thiesen auf der Hand: „Weiter an der Seite der Menschen stehen, Mut und Segen zusprechen und zum Zusammenhalt in der Gesellschaft beitragen. Sich gemeinsam für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen und unsere Demokratie vor dem Rechtspopulismus schützen sind die großen Themen, auf die wir in den kommenden Jahrzehnten auch in unserer Arbeit in Nordfriesland kluge Antworten finden müssen.“ Das Auswahlverfahren für seine Nachfolge ist bereits angelaufen, ab Mai wird die stellvertretende Pröpstin Inke Thomsen-Krüger aus Oldenswort seine Vakanz-Vertretung übernehmen.