„Hinneh mah tov umah na’im shevet Achim Gam Yachad“ – aus dem 133. Psalm stammt die Hymne, mit dem Jüdinnen und Juden traditionell ihren Schabatt einleiten. „Siehe, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen.“ Diesen Vers stellte Maria Jepsen, Bischöfin i. R. in die Mitte ihrer Ansprache zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar. Mehr als hundert Menschen hatten sich um die Friedenseiche in der Süderstraße versammelt und setzten gemeinsam und einträchtig ein Zeichen für Freiheit und Frieden.
Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau. Mehr als 1 Millionen Menschen, überwiegend Jüdinnen und Juden, Männer, Frauen und Kinder wurden hier systematisch ermordet. Die Bilder gingen um die Welt und lösten Scham und Entsetzen aus. Seit 1996 ist dieser Tag als Gedenktag gesetzlich verankert. Seit vielen Jahren lädt der Kreis Nordfriesland an diesem Tag in seine Räume ein, das musste nun schon zum zweiten Mal wegen der Pandemie ausfallen. Umso mehr freue er sich, so zweiter stellvertretender Landrat Carsten Sörensen, über die Initiative der Kirche, eine Veranstaltung unter freiem Himmel anzubieten.
Schon Pastor Friedemann Magaard, der in seiner Ausführung über den Wert der Freiheit sprach, hatte sich deutlich von Gegenwartsbewegungen abgesetzt, sie sich in der Ablehnung der Corona-Politik mit Holocaust-Opfern vergleichen. „Das geht gar nicht“, sagte er nachdrücklich. Und auch Sörensen deutete dieses Verhalten als eine unbotmäßige Geschichtsvergessenheit, der zu wehren sei.
Der Ort in der Husumer Süderstraße war mit Bedacht gewählt. Direkt gegenüber der Friedenseiche aus dem Jahr 1871 ist eine Stolperschwelle in den Bürgersteig eingelassen, die an die Gefangenen des KZ-Schwesings erinnert. Hier entlang wurden sie getrieben, um den politisch unsinnigen Friesenwall zu errichten. Ihren elenden Zustand hatte jeder sehen können – die Bischöfin mahnte angesichts dieser Erinnerung zu Anständigkeit und Zivilcourage.
Info: Der Lyrik-Podcast „Seelenfutter“ von Friedemann Magaard und Susanne Garsoffky beschäftigt sich in seiner 97. Folge ebenfalls mit dem Thema. Zu Gast ist Kirsten Fehrs, stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche und Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck. Gemeinsam sprechen sie über Gedichte, die im Zusammenhang mit der Judenverfolgung stehen.