Wenn das Gehirn auf Standby schaltet

Breklum – Wer seine Wut und seine Enttäuschung immer nur in sich hineinfrisst, wird bald krank an Leib und Seele. Das hat sich inzwischen herumgesprochen. Dennoch fällt es vielen Menschen und besonders Frauen schwer, einen guten Umgang mit diesem mächtigen Gefühl zu finden. Der Frauenkirchentag in Breklum zeichnete verschiedene Wege auf, aus der Ohnmacht herauszutreten und Aggression als positive Lebenskraft zu nutzen.

Aggression sei im genetischen Grundprogramm des Menschen verankert, so Erziehungswissenschaftlerin und Aggressionstrainerin Donata Oerke aus Eutin, die als Hauptreferentin geladen war. „Stellen Sie sich vor, Sie begegnen einem Säbelzahntiger“, erklärte sie, „da überlegen Sie nicht lange, da entscheiden Sie sehr schnell zwischen Angriff und Flucht.“ Das Gehirn sei im Aggressionszustand auf Minimalversorgung geschaltet, die Energie gehe in Arme und Beine. „Das ist der Grund, warum Sie am nächsten Tag genau wissen, was Sie dem Gegenüber hätten gesagt haben sollen. Wenn Sie wütend sind, ist ihr System nicht auf konstruktive Lösungen gepolt“, sagte sie. Sie riet dazu, Rituale zu entwickeln, die zunächst entlasten könnten. Was sie damit meinte, wurde im anschließenden Workshop deutlich: Mit dick gepolsterten Stäben gingen die Teilnehmerinnen „aufeinander los“, deutlich war zunächst das Zögern zu spüren, aber genauso deutlich war am Ende auch die Idee, dass ein Impulsabbau tatsächlich Kraft und gutes Gefühl freisetzen kann.

Gut 80 Frauen aus ganz Nordfriesland waren der Einladung von Britta Jordan und Claudia Hansen, den beiden Frauenreferentinnen des Kirchenkreises, gefolgt. „Wut mutt rut“, lautete das Motto, und das war auch Thema der übrigen Workshops: Viel gelacht wurde beim Workshop mit Impro-Trainerin Anja Pfaff aus Flensburg. Sie zeigte Methoden, Wut in Kreativität zu wandeln. So beschimpften sich die Teilnehmerinnen aufs Übelste – allerdings in einer Sprache, die keine verstand. Grommelo nannte Anja Pfaff diese Sprache, die sich jede Teilnehmerin spontan ausdachte und so zu ihrem persönlichen Ausdruck fand.Heilpädagogin Mette Petersen stellte ein Konzept in vier Schritten vor, wie ein gewaltfreier Weg von der Wut zur konstruktiven Lösung aussehen könne. Claudia Hansen, die ausgebildete Gestalttherapeutin ist, sprach mit den Teilnehmerinnen über die psychosomatischen Aspekte, und Dagmar Krok vom Frauenwerk der Nordkirche, eröffnete neue Zugänge über die Bibel. „Erlauben Sie sich Kopfkino, und stellen Sie sich ruhig die schlimmsten Dinge vor. Damit ist niemandem geschadet“, sagte sie mit einem Lächeln. Nichts anderes sei der Weg mancher Psalm-Dichter gewesen, die Gott um die Vernichtung ihrer Widersacher baten. „Wut ist so menschlich“, sagte Dagmar Krok. „Sie gehört genauso zu uns wie Güte und Sanftheit.“

Dem Frauenkirchentag gelang eine gute Mischung aus intellektuellen und emotionalen Zugängen. „Frauen sind in Punkto Wut kulturell benachteiligt“, sagte Britta Jordan. Während von Männern ein gesunder Umgang mit Aggression geradezu erwartet werde, habe es in Kirche und Gesellschaft eine lange Tradition, Frauen auf ihre sanftmütigen und duldsamen Seiten zu reduzieren. „Wir wollten mit diesem Tag Impulse zur Selbstfürsorge setzen“, sagte sie. „Das ist uns hoffentlich gelungen.“

Frauenkirchentag