Veuve Noire: unterwegs für Respekt und Toleranz

Ihre Heimat ist St. Pauli, ihr Familie heißt Olivia Jones. Sie ist ein Mann und zugleich weiblicher als manche Frau. Veuve Noire ist eine Dragqueen, schillernd und schrill, schlagfertig und wortgewandt, witzig und krass. Sie kann Comedy und Gesang, und begeistert mit ihren Kult-Kiez-Tour in Hamburg viele Menschen. Ihr Name bedeutet „Schwarze Witwe“, das ist eine Spinnenart, deren Weibchen die Männchen nach dem Paarungsakt verspeisen. Aber so weit würde sie nicht gehen: „Männer zum Frühstück, Mittag, Abendessen? Gerne!“, verrät sie auf der Webseite von Olivia Jones. „Aber töten? Ich mache doch mein Spielzeug nicht kaputt!“ Sie kam auf Einladung des Evangelischen Kinder- und Jugendbüros (EKJB) nach Nordfriesland und traf in Leck und Viöl Schülerinnen und Schüler der dortigen Gemeinschaftsschulen.

Veuve Noire (sprich: Wöff No-ar) ist offizielle Botschafterin der Olivia-Jones-Familie und Aushängeschild der Initiative „Olivia macht Schule“. Anna Ihme vom EKJB hatte die Veranstaltungen organisiert und freute sich sehr, dass mit der 38-Jährigen ein prominentes Gesicht der LGBTQ-Bewegung (siehe Info) nach Nordfriesland kam. Gewohnt im Umgang mit großem Publikum kam die Dragqueen schnell mit den Schülerinnen und Schülern in Kontakt. Und diese hatten überhaupt keine Berührungsängste, sondern stellten viele interessierte Fragen. Passend zu ihrem Namen kleidet sie sich ausschließlich schwarz und braucht, so erfuhren die Jugendlichen, volle drei Stunden, um sich fertigzumachen. Dennoch sei ihr Outfit keine Verkleidung, sondern Teil ihrer Identität, die sie als die eines „homosexuellen Mannes im Körper einer heterosexuellen Frau“ beschreibt.

„Be more rainbow“ (sei mehr Regenbogen!) – unter diesem Titel hatte das EKJB ein Projekt für mehrere Zielgruppen ins Leben gerufen. Für Sechs- bis Zehnjährige schafften sie das Bilderbuch „Raffi und sein pinkes Tutu“ an und gaben es an Grundschulen und Kirchengemeinden mit Anregungen für die pädagogische Arbeit weiter. Pastorinnen und Pastoren setzten sich in einem Konvent mit dem Thema auseinander, und auf Kreisebene gibt es einen Fachtag für die pädagogisch Mitarbeitenden. Für Kinder und Jugendliche außerhalb der Schulen gab es außerdem eine Postkartenaktion und die Aufforderung, Nordfriesland mit Straßenkreide bunt zu machen als Zeichen gegen Rassismus und Intoleranz.

Die Begegnung mit Veuve Noire war einer der Höhepunkte des Projekts. Knapp 350 junge Menschen hörten gespannt zu, als die Dragqueen von ihrem Leben und den zahlreichen Repressalien erzählte, die sie erlitten hatte. Richtig glücklich sei sie erst, seit sie Mitglied der Olivia-Jones-Familie sei und in deren Auftrag in Schulen und Kindergärten Aufklärungsarbeit für ein Leben in Vielfalt, Gleichberechtigung, Respekt und Freiheit mache. Das EKJB will mit diesem Projekt geschlechtliche Vielfalt sichtbar machen und LGBTQ in die Mitte der Gesellschaft holen. „Wir als EKJB glauben, dass Gott jeden von uns wunderbar gemacht hat“, sagt Anna Ihme. „Es ist egal, wen du liebst. Hauptsache, du liebst.“

Info: LGBTQ ist die Abkürzung für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen. Etwa 7,5 Prozent der Deutschen identifizieren sich als LGBTQ, das sind rund sechs Millionen Menschen. Statistisch gesehen sind also in jeder Schulklasse, jeder Kindergarten – oder Konfirmandengruppe Persönlichkeiten, die sich mit den heterosexuellen Normen nicht identifizieren können. Die Regenbogenflagge gilt als Symbol für ihren Kampf gegen Diskriminierung, Unterdrückung, Gewalt und Ausgrenzung.