Seit etwas mehr als einem Jahr läuft in der Trägerschaft des Diakonischen Werks Husum (DW) ein Förderprojekt für Kinder und Jugendliche, deren junges Leben bereits von Abbrüchen und „Diskontinuitätserfahrungen“ geprägt ist, die vom „normalen“ schulischen Angebot nicht erreicht werden und darüber hinaus in Maßnahmen der Jugendhilfe nicht den erwarteten Erfolg zeigen.
Kooperation ist das Zauberwort
„Sputnik“ ist ein Projekt, das niemanden vergisst oder durch die Systeme vieler unabhängig voneinander arbeitender Einrichtungen rutschen lässt, denn: „Hier kooperieren alle Beteiligten engmaschig und intensiv zusammen“, betont Peter Raben vom Jugendamt des Kreises Nordfriesland. Dazu gehören die Jugend- und Eingliederungshilfe, die Schulaufsicht des Kreises Nordfriesland, das „Förderzentrum Lernen Pestalozzischule Husum“, das Förderzentrum „Geistige Entwicklung Rungholtschule Husum“, die Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie Husum und das DW Husum. Augenblicklich nehmen fünf junge Menschen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren an dem Projekt teil. „Alle, die in diesem Netzwerk zusammenarbeiten, haben unterschiedliche Ansätze und Sichtweisen. So kommen viele verschiedene Ideen darüber zusammen, was zum Wohle der betroffenen Kinder und Jugendlichen unternommen werden kann“, erklärt Projektkoordinator Benjamin Kühnberger vom DW Husum. „Die jungen Menschen sollen auf jeden Fall im schulischen Rahmen gehalten werden“, so Raben. Durch die Zusammenarbeit vieler Stellen sei schnelle Hilfe möglich – und auch die gelegentliche Umsetzung „einer verrückten, aber hilfreichen Idee“ habe dadurch einen Nährboden erhalten.
Außerschulische Lernorte
Ganz konkret ruht „Sputnik“ auf zwei Säulen: Als fester Anlaufort steht den jungen Menschen stundenweise einerseits ein Bauern- und Reiterhof in Ahrenviöl zur Verfügung. „Dieser ist als außerschulischer Lernort wichtig, weil die Teilnehmenden hier etwas Praktisches tun können und die Gleichwertigkeit von Schule und Natur erfahren. Sie lernen etwas über das Leben auf dem Bauernhof und über den Umgang mit Tieren, die sie mit versorgen“, so Raben. Oder, wie es Simone Bock vom Förderzentrum Lernen der Pestalozzischule auf den Punkt bringt: „Die Teilnehmenden nehmen sich selbst anders wahr. Die richtige Behandlung von Tieren hat einen großen Lerneffekt.“ Die zweite Säule ist das Familienhaus Wichern, das zeitweise Räumlichkeiten zur Verfügung stellt zum Malen und Basteln, Gestalten oder Kochen.
Ein multiprofessionelles Team
„Alle Teilnehmenden werden nach einem individuellen Plan betreut“, sagt Peter Raben. Sie sollen auch weiterhin auf jeden Fall in ihre Schulen gehen. Auch mit diesen Schulen arbeitet das Netzwerk intensiv zusammen. So kann es sein, dass individuelle Lehrpläne für die Projektteilnehmenden wöchentlich geändert und an die Bedürfnisse angepasst werden. Freilich gibt es auch immer wieder Krisen – doch zerstören diese das Beziehungsgeflecht nicht: „Die Kinder werden kontinuierlich in ihren Systemen gehalten, sie erleben keine Abbrüche“, so Raben. Grundsätzlich ist die Klammerfunktion dieses Projekts, das alle Beteiligten mit ihren speziellen Potenzialen an einen Tisch holt, so einfach wie genial – wenn auch keineswegs leicht in der Umsetzung. Kühnberger: „Es gibt kaum ein anderes Projekt, bei dem der Aufwand so immens ist, fast täglich Gesprächsbedarf besteht und ein so intensives Krisenmanagement nötig ist.“ Aktuell arbeiten zwei pädagogische Fachkräfte, zwei Assistenten und zwei Sonderpädagoginnen mit den Kindern und Jugendlichen. Dazu die pädagogische Fachkraft vom DW, Christoph Peter Bachmann: „In diesem multiprofessionellen Team können wir gemeinsam Chancen auf einen Bildungsweg mitgeben, der den Fähigkeiten der jungen Menschen entspricht und ihnen eine soziale Teilhabe ermöglicht.“ Oder, wie es Heiko Huwendiek, ebenfalls pädagogische Fachkraft, ausdrückt: „Die Herausforderung des Projekts ist es, die Teilnehmenden Vertrauen in Wertschätzung, Stabilität und Bindung zurückgewinnen zu lassen, damit wir gemeinsam die Basis für das Ziel ‚Schulabschluss‘ erarbeiten zu können.“ Nicht immer seien, so Kühnberger, die Lernfortschritte sofort sichtbar, aber: „Wir möchten einen Anker für die Teilnehmenden einschlagen, etwas Positives initiieren und alternative Handlungsmodelle anbieten“, umreißt es griffig Simone Bock.
Text und Bild: Sonja Wenzel