Reparieren ist besser als Wegwerfen

Husum – Wie ärgerlich: Eine Woche nach Ablauf der Garantie geht der Entsafter kaputt. Er tuts einfach nicht mehr. Und was soll man mit einem Entsafter, der nicht entsaftet? Reparieren lassen lohnt im Leben nicht. Da bleibt eigentlich nur Wegwerfen. Wie schade. Und wie ärgerlich, nicht nur für den Benutzer, auch für die Umwelt. Damit das nicht sein muss, gibt es in Husum jetzt ein RepairCafé: Das Diakonische Werk (DW) hat ein Team von 15 Ehrenamtlichen gefunden, das einmal im Monat ihr Fachwissen zur Verfügung stellt und Hilfe zur Selbsthilfe anbietet.

Hinter der Neustadt 72

„Wir bieten Hilfe an in den Sparten Elektro, Holz, Spielzeug und Textilien“, sagt Adelheit Marcinczyk vom DW Husum. Die Ehrenamtlichen sind Fachleute auf ihrem Gebiet, teilweise im Ruhestand, und sie geben gern ihre Zeit für diese Sache. „Im vergangenen Jahr gab es 1653 aktive RepairCafés weltweit“, sagte Adelheit Marcinczyk bei der Eröffnung. „Im Durchschnitt wurden pro Treffen 18 Gegenstände repariert und damit 350000 Tonnen Abfall vermieden.“ In den hinteren Räumen des Sozialladens „Möbel und Mehr“ hat das Husumer RepairCafé nun seine Räume bezogen.

Familienbildungsstätte ist Trägerin

Aber das ist nicht alles: Im RepairCafé kommen Generationen zusammen. Seniortrainer des Mehrgenerationenhause, das das Café unter ihren Fittichen hat, engagieren sich als Helfer, es gibt Kaffee und Kuchen, und wer warten muss, weil der Reparierplatz grade besetzt ist, findet hier auch noch einen netten Schnack. Wer ein Mal kommt, kann es beim nächsten Mal vielleicht selber. Die Idee dahinter ist, dass Nachbarn sich gegenseitig helfen, dass Reparier-Wissen erhalten bleibt und weitergegeben werden kann, dass Menschen zusammenkommen, die sich sonst sicher nicht begegnet wären. Es ist ein Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft, derer man irgendwann schlicht überdrüssig wird. Warum muss ich entsorgen, was eigentlich noch funktionieren könnte? Bloß weil sich niemand findet, der es wieder heilmacht?

Jeder ist willkommen

Immer am 1. Sonnabend im Monat öffnet das RepairCafé von 14 bis 17 Uhr seine Pforten.  Die Räume befinden sich Hinter der Neustadt 72, hinein kommt man durch den hinteren Eingang. Und wer kann da mit seiner Nähmaschine, seinem Nachtschränkchen, seinem kaputten Reißverschluss oder dem ausgerissenen Puppenarm hingehen? „Du zum Beispiel“, sagt Adelheit Marcinczyk und guckt die Journalistin, die interviewt, an. „Wer? Ich?“ „Genau. Du.“ Jeder ist willkommen, und das ist gut so.

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Nächstenliebe statt Nationalegoismus

Breklum – Feierlich läutete der Kirchenkreis Nordfriesland das neue Kirchenjahr ein: Wie immer lud er am Montag nach dem 1. Advent dazu ein, sich auf die Vorweihnachtszeit einzustimmen und sich vom Jahresthema inspirieren zu lassen. Diesmal lautet es „Make Nächstenliebe great again!“ – und die Pröpste Annegret Wegner-Braun und Jürgen Jessen-Thiesen deuteten das Motto politisch brisant.

Der barmherzige Samariter als praktische Nächstenliebe

Nächstenliebe sei ein Schatz der christlichen Verkündigung, so die Pröpste in ihrem Vortrag. Sie legten den Begriff in die Waagschale angesichts ihrer Ratlosigkeit zunehmender Nationalegoismen in Europa und weltweit. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter sei Wegweisung, wie Nächstenliebe umgesetzt werden können.

Make Nächstenliebe great again!

 „Wir haben uns beim Jahresthema an das Evangelische Kinder- und Jugendbüro angelehnt“, sagte Pröpstin Wegner-Braun in ihrer Begrüßung. Das Motto habe soviel Zündstoff, dass es es wert sei, noch ein Jahr weiter in größere Bezüge getragen zu werden. Veranstaltungen, Workshops, Gottesdienste – in vielerlei Weise würden sich Gemeinden sowie Dienste und Werke und die Einrichtungen des Kirchenkreises im kommenden Jahr mit diesem Thema beschäftigen.

Gäste aus Politik und Gesellschaft

Unter den 250 Gästen waren Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche, darunter Landtagsabgeordneter Klaus Jensen (CDU). Sie nutzten gern die Gelegenheit zu Gesprächen und zum Austausch. Musikalisch begeisterte der Gospelchor Friedrichstadt unter Leitung von Igor Vlassov.

Ein neuer Pastor für den Norden

Die Kirchengemeinden Neukirchen, Aventoft und Rodenäs haben einen neuen Pastor: Am 1. Advent führte Pröpstin Annegret Wegner-Braun den 55jährigen Michael Galle in sein Amt ein. Und die Gemeinde feierte mit einem fröhlichen Gottesdienst das Ende der Vakanz.

„Ich bin total gerne in den Norden gegangen“, erzählt der Seelsorger im Gespräch. Nach einem bewegten Berufsleben hofft er, hier anzukommen und eine neue Heimat zu finden. Geboren ist er in Nordenham in der Nähe des Bremerschen Oldenburgs. Während seines Theologie-Studiums in Göttingen kamen drei seiner Kinder zur Welt, und er zog sie groß, während seine Frau eine Ausbildung in der Pflege machte. „Wir waren auf uns gestellt“, sagt er nachdenklich. Er hat während dieser Zeit alle möglichen Aushilfsjobs angenommen, um die Familie zu ernähren und dadurch sehr viel Erfahrung gesammelt. Sein 1. Theologisches Examen legte er im Jahr 2000 ab, während des Vikariats konnte die Familie Sohn Nr. 4 begrüßen, seine erste Pfarrstelle trat er im Mecklenburgischen Bolzenburg an. Er sei „ein Grenzgänger zwischen dem Herzogtum Lauenburg und Mecklenburg-Vorpommern gewesen“, sagte die Pröpstin.

Aus der vorläufigen Vertretung wurde eine Festanstellung

Michael Galle ist schon seit einem Jahr Seelsorger für den Gemeindeverbund, er war zunächst als Vertretung dorthin entsandt worden. Ihm hätten sich viele Türen geöffnet, sagte er dankbar in seiner Predigt, gerne habe er sich darum auf die Stelle beworben, als sie ausgeschrieben wurde. Dass er kein ganz gewöhnlicher Pastor ist, machte auch Annegret Wegner-Braun deutlich. „Du bist ein kreativer Mensch, der selber textet und komponiert, malt, Theater spielt und ein kabarettistisches Talent hat“, sagte sie. Und das zeigte Michael Galle auch im Gottesdienst: Er ging auf Tuchfühlung mit der Gemeinde, befragte sie zu Beginn, was denn in ihren Adventskalendern gewesen sei, nahm die Gitarre und rockte gemeinsam mit dem Kirchenmusiker Jochen Seeger die Bitte um den Heiligen Geist. „Die Gitarre ist immer bei mir“, sagte er im Gespräch.

Mehr als Luther

Theologisch liegt ihm sehr an interreligiöser Zusammenarbeit, hat in diesem besonderen Interesse sogar noch einige Semester Religionswissenschaften in Hamburg studiert. Er bezeichnet sich als „ökumenischen Pastor“, denkt weit über Luther hinaus. Ein Grenzgänger sei er, der sich „gewitzt auch mal über Regeln hinwegsetzt“, so die Pröpstin, jemand der Neues wagt und Neues denkt und hofft, dass „Neukirchen“ seinem Namen Ehre macht.

Klimaschutz als Arbeitsauftrag

Nordfriesland – Zum 1. November hat der Kirchenkreis einen Klimaschutzmanager: Matthias Marx hat seinen Dienst angetreten und sein Büro in der Bauabteilung bezogen. Im März 2019 hatte die Synode die Einrichtung dieser Stelle beschlossen und damit einmal mehr deutlich gemacht, wie sehr ihr der Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung am Herzen liegen.

Er erforschte Flüssigkunststoffe in Kosmetik

„Umwelt war schon immer ein Thema für mich“, sagt Matthias Marx im Gespräch. Er ist passionierter Wanderer und seit vielen Jahren im Deutschen Alpenverein engagiert. So kam es auch, dass er nach dem Abitur ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg begann. Und in dieser Zeit reifte der Entschluss, sich professionell damit auseinanderzusetzen. Er begann, in Lüneburg Umweltwissenschaften zu studieren, und als er von den Studien-Inhalten erzählt, wird deutlich, dass der 27-Jährige hochqualifiziert und perfekt für diese Aufgabe geeignet ist: Neben den Naturwissenschaften gehörte zum Studienumfang auch Umwelt-Kommunikation, -Recht, -Planung,- Management, -Ethik und Nachhaltigkeit. Er lernte Grundlagen der Industrietechnik, der Ökologie und der Umweltchemie kennen.  Seinen Master machte er schließlich in Marine- und Umweltwissenschaften in Oldenburg. Und auch wenn es nicht zu seinen ersten Aufgaben gehört, ist das für den Kirchenkreis sehr spannend: Marx befasste sich mit der Erforschung von Mikroplastik insbesondere von Flüssigkunstoffen in Kosmetik-Produkten. Auch das Evangelische Kinder- und Jugendbüro sowie das Frauenwerk sind ja an diesem Thema dran, bieten Workshops und Informationsveranstaltungen dazu an. Sie werden in Matthias Marx einen hochkompetenten Ansprechpartner haben. Kontakt hat es auch schon zur Ökumenischen Arbeitsstelle gegeben, die sich engagiert für den Klimaschutz im Kirchenkreis einsetzt.

„Eigentlich sollte Klimaschutz selbstverständlich sein“

In den ersten drei Jahren wird die Stelle noch von den Aktiv-Regionen gefördert. Im Rahmen dieser Förderung wird Matthias Marx vier bis fünf konkrete Projekte koordinieren und umsetzen. Dabei kann es sich um ökofaire Beschaffung, um Mobilität oder um Gebäudemanagement drehen. Mit letzterem wird er eh zu tun haben: Das bereits vor Jahren begonnene Energie-Controlling muss aktualisiert und ausgewertet werden, nur so kann Marx die Gemeinden beraten und Empfehlungen aussprechen. „Eigentlich sollte Klimaschutz so selbstverständlich, dass man nicht extra jemanden dafür einstellen müsste“, sagt er.

Im Moment ist er noch viel unterwegs. Er muss die anderen Player aus diesem Bereich kennenlernen, muss sich vernetzen und herausfinden, was es wo schon gibt.

Botschafterin der Liebe Gottes

Breklum – Sie ist die Stimme der Diakonie: Wer im Diakonischen Werk Husum (DW) anruft, Sorgen hat, einen Termin braucht, Ansprechpartner sucht, der hört zunächst die Stimme von Birgit Albertsen. Volker Schümann, Leiter des DW, lobte ihre Fachkompetenz, ihre unbedingte Loyalität und ihre Freundlichkeit. Als Dank und Anerkennung für nunmehr 30 Jahre Dienst erhielt sie im Rahmen des Fachtags Diakonie des Kronenkreuz in Gold..

Serviceorientiert und ideenreich

Als am Anfang ihr Name fiel, kam aus den hinteren Reihen ein erschrockenes Seufzen. Aber dann verstand Birgit Albertsen, dass ihr hier eine ganz besondere Ehre zuteil wurde. „Sie sind eine moderne Version der Sekretärin“, sagte Volker Schümann in seiner Laudatio. Als Assistenz der Geschäftsleitung sei sie immer serviceorientiert, denke mit und bringe eigene Ideen ein. Sie lebe ein offenes Miteinander, sei absolut verlässlich und schlicht eine gute „Visitenkarte“ der Diakonie. „Sie sind eine tolle Botschafterin der Liebe Gottes“, so Schümann.

Sie ist die „erste Stimme der Diakonie“

Das Diakonische Werk beschäftigt 250 Mitarbeitende in den unterschiedlichsten Sparten. Gut 90 von ihnen waren zum Fachtag gekommen, der zum einen der theologischen Fortbildung diente, zum anderen aber vor allem auch dem gegenseitigen Kennenlernen und der Vernetzung. Für die Verleihung des Kronenkreuzes war extra Propst Jürgen Jessen-Thiesen gekommen. „Sie sind die erste Stimme der Diakonie“, sagte er mit herzlichem Dank für ihren treuen Dienst und steckte ihr die Ehrennadel höchstpersönlich ans Revers.

Überrascht und gerührt

„Nie im Leben habe ich damit gerechnet“, sagte Birgit Albertsen gerührt. So oft habe sie es für andere beantragt und so oft auch schon Verleihungen beigewohnt, aber sich selbst habe sie nie in der Rolle gesehen. „Mir ist es wichtig, auch mal die Menschen zu ehren und wertzuschätzen, die eher im Hintergrund arbeiten“, sagte Volker Schümann, der die Auszeichnung angeregt hatte.

Info: Das Kronenkreuz ist das Dankzeichen der Diakonie. Es ist kein Orden und keine Auszeichnung, sondern Ausdruck das Dankes und der Wertschätzung für die Treue und den Einsatz im Dienste des Nächsten.

Fachtag zum Thema Wohnen

Breklum – Der eine hat zuviel davon, dem anderen fehlen sie aufs Bitterste. Die Rede ist von Immobilien. Im Kirchenkreis Nordfriesland gibt 166 Gebäude verschiedenster Art und Qualität, und die Fachleute sorgen sich, wie das in Zukunft gehen kann. Die Mitarbeitenden der Diakonischen Werke hingegen leiden darunter, dass immer mehr Menschen wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Da muss doch was gehen, dachten sich Nora Stehen vom Christian Jensen Kolleg Breklum und Adelheit Marcincyk vom Diakonischen Werk Husum und luden zum „Fachtag Wohnen“  ein.

Es fehlt vor allem an kleinen Wohnungen

„Was kann Kirche tun, um Wohnraum zu schaffen?“ – mit dieser Leitfrage eröffnete Adelheit Marcincyk den Nachmittag vor etwa 40 Teilnehmenden. Christian Grelck vom Kreis Nordfriesland betonte, dass Wohnen ein Grundrecht sei. Wohnraum sei rein rechnerisch mehr als genug vorhanden, aber die hohe Zahl von Ferienwohnungen verfälsche die Statistik, es fehle eklatant besonders an kleinen Wohnungen in den Stadtgebieten. Felix Arnold vom ALP-Institut für Wohnen und Stadtentwicklung belegte anhand von Zahlen und Daten die besondere Situation Nordfrieslands und bestätigte die Einschätzung Grelcks: „Weniger als 10 Prozent der Wohnungen haben weniger als 60 Quadratmeter“, sagte er. „Es ist wichtig, dass der Kreis und die Kommunen sich mit diesem Thema beschäftigen.“

Zu viel, zu alt, zu teuer

Mit Zahlen arbeitete auch Kirchenkreis-Architekt Pieter Dubbeldam: In 62 Kirchengemeinden leben knapp 95000 Kirchengemeindeglieder, das sind 17000 weniger als noch 2009. Es gibt 88 Kirchen und Kapellen, 55 Pastorate, in denen teilweise Gemeinderäume vorgehalten werden, und 23 alleinstehende Gemeindehäuser. Insgesamt schätze er den Sanierungsbedarf auf mehr als 23,3 Millionen Euro. „Wir haben zu viele, zu alte und zu teure Gebäude“, sagte er. Und Propst Jessen-Thiesen ergänzte. „Es werden immer weniger Gemeindeglieder, die die Gebäude nutzen“, sagte er. Auch die Zahl der Amtshandlungen gehe stetig zurück. Bereits im Jahr 2030 werde es, weil es weniger Pastoren gibt, deutlich weniger bewohnte Pastorate geben. „Wir wollen nach Möglichkeit unsere Gebäude der Allgemeinheit zur Verfügung stellen“, sagte er.

Projekte und Ideen

Vier Projekte stellten sich vor: In Heide gibt es den Kommunal-Diakonischen-Wohnungsverband, bei dem Stadt und Kirche sehr eng zusammenarbeiten, um von Wohnungslosigkeit bedrohten und Wohnungslosen zu helfen. Sie unterhalten zusammen ein Wohnprojekt mit 28 Einheiten – ein Erfolgsmodell, auch wenn es in Heide weiterhin an geeignetem Wohnraum fehle. Der Kirchengemeindeverband Elmshorn erzählte von seinem Präbandenstift, das 23 Altenwohnungen in kirchlicher Trägerschaft unterhält. Lukas Lehmann von der Hempelstiftung Kiel konnte berichten, dass die Stiftung ein Mehrfamilienhaus gekauft habe, um darin auch Menschen mit Mulitproblemlagen unterbringen zu können, die eine Wohnungsfähigkeitbegleitung brauchen. Die Kirchengemeinde Norderstedt hat auf ihrem Grundstück Katenwohnungen für Menschen mit Altersarmut bauen lassen.

Kooperationen anstreben

Sehr viele Antworten gab es bei diesem ersten Treffen noch nicht, aber doch Ideen und Impulse. Der Markt, so Bernd Hannemann, der Grüße vom Diakonischen Werk Schleswig-Holstein überbrachte, werde das Problem nicht lösen. Es wurde deutlich, dass Möglichkeiten, aber auch Sprengstoff in diesem Thema enthalten sind, und die Notwendigkeit, Angebot und Bedarf besser aufeinander abzustimmen. Immer wieder waren Kooperationen das Thema: Wo Kommune, Kirche und Sozialhilfeträger gut zusammenarbeiten, kann es zu kreativen und nachhaltigen Lösungen kommen.

75 Jahre Versöhnung über Gräbern

Ladelund – In der Nacht zum 1. Oktober 1944 begannen mit einem Anschlag niederländischer Partisanen auf deutsche Wehrmachtsoffiziere die schrecklichen Ereignisse, die das Dorf Putten über Generationen prägen sollten: Als Racheakt setzte die Wehrmacht 660 Männer des Dorfes fest und deportierte sie in deutsche Konzentrationslager, 540 von ihnen starben, viele von ihnen im Ladelund unter katastrophalen Bedingen.

75 Jahre ist das jetzt her. Zum Gedenken war Anfang Oktober eine Ladelunder Delegation nach Putten gereist. Zum Volkstrauertag machten sich mehr als 100 Niederländer auf den Weg nach Nordfriesland, um die Versöhnung zu festigen und für den Frieden zwischen den Völkern einzutreten.

Bewegender Gottesdienst

Die Ladelunder St. Petri-Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, und der Gottesdienst wurde per Video in die Gedenkstätte übertragen. Gemeinsam mit Ehrenamtlichen aus Putten und Ladelund gestalteten Pastor Hans-Joachim Stuck, Pröpstin Annegret Wegner-Braun und Dr. Werner Gugler, Pfarrer der Anderskerk Putten, den Gottesdienst. Die Liedtexte waren jeweils in beiden Sprachen abgedruckt. Unter den Gästen war Hylke H. Boerstra von der Botschaft des Königreichs der Niederlande, Gothart Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig, und Henk Lambooij, Bürgermeister der Gemeinde Putten. Letzterer unterzeichnete im Anschluss gemeinsam mit Lutz Martensen, dem Ladelunder Bürgermeister, einen Partnerschaftsvertrag der beiden Kommunen.

Schuld kann vergeben werden

Es war ein bewegender Gottesdienst, bei dem viele vertraute Texte auf einmal anders klangen. „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen“, damit begann Pastor Stuck den Gottesdienst. Das 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums klang hart in diesem Rahmen: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben“, sagt Jesus dort zu den Verdammten. „Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet“ – das rief die Erinnerung an die ausgehungerten und frierenden Häftlinge hervor, die November bis Dezember 1944 Tag für Tag durch das Dorf getrieben wurden. „Was nun unser Dorf erlebte, war derart grauenhaft, dass das Erleben zu schildern einfach unmöglich ist“, so zitiert die Ausstellung den damaligen Pastor Johannes Meyer. Es predigte Dr. Werner Gugler. „Schuld kann vergeben werden“, sagte er. „Am Kreuz hat glücklicherweise ein anderer meine Schuld bezahlt“

Hymne der Freundschaft

Wie jedes Mal war es ein besonderer Moment, als Deutsche und Niederländer gemeinsam das Lied „Wie lieblich schön, Herr“ (EG 282) sangen. Dieses Lied nimmt Worte des 84. Psalms, die den Deportierten Wegzehrung waren, als sie sich am frühen Morgen des 2. Oktober 1944 zum letzten Mal in ihrer Heimatkirche trafen. Anschließend wurden sie nach Neuengamme deportiert, für viele von ihnen ging es weiter nach Ladelund. Auch dieses Lied war in beiden Sprachen abgedruckt, aber niemand sang es auf deutsch. „Wlhalig hij die al zijn kracht En hulp alleen van U verwacht” – es ist so etwas wie die Hymne der Begegnung und Symbol der Freundschaft geworden.

Info: In Ladelund begann die Aufarbeitung des Schreckens früh: Bereits 1946 suchte Johannes Meyer, der damalige Pastor der Kirchengemeinde, Kontakt zu den Angehörigen. Er fand Worte, die die Schuld benannten, und gleichzeitig trösteten. Aus diesen Briefen entstand eine Jahrzehnte und Generationen überdauernde Freundschaft zu den Puttenern, die Haus um Haus Vater, Bruder, Sohn oder Ehemann betrauerten. Über den Gräbern begann Versöhnungsarbeit, die in ihrer unmittelbaren Menschlichkeit und in der Persönlichkeit der Kontakte bundesweit einzigartig ist.

Tears in Heaven

Emmelsbüll – Einen emotionalen Gottesdienst erlebten die Besucher der vollbesetzten Rimbertikirche Emmelsbüll am drittletzten Sonntag des Kirchenjahres: Der Gospelchor der Gemeinde „Joyful Voices“ setzte sich musikalisch mit Schmerz, Trauer und Hoffnung in der Popmusik auseinander, geschickt verwob Pastor Gerald Rohrmann die Songtexte mit biblischen Perspektiven.

Popmusik in Liebe und Schmerz

Die Joyful Voices unter Leitung von Birgit Deussing präsentierten ein anspruchsvolles und ungewöhnliches Programm. Darunter war zum Beispiel „Tears in Heaven“ von Eric Clapton, und verstohlen wischten sich einige der Besucher Tränen aus den Augen, als Gerald Rohrmann die Geschichte zu diesem Lied erzählte: Clapton verlor seinen Sohn im Alter von 5 Jahren durch einen tragischen Unfall. Ein Chormitglied las die Übersetzung des Liedes – „Ich weiß, im Himmel wird es keine Tränen mehr geben“, ein anderes las aus der Offenbarung des Johannes „Weder Tod noch Leid noch Geschrei wird mehr sein.“

So zogen sich Gänsehautmomente durch den Gottesdienst. Mit einer Kerze predigte Gerald Rohrmann über die Macht der Liebe, über die Reichsprogramnacht, wo sie fehlte, und über den Fall der Mauer, wo sie Brücken schlug. Und der Chor sang dazu „Candle in the wind“ von Elton John und „Bridge over troubled water” von Simon and Carfunkel.

Entstanden aus einem Spontan-Chor

Insgesamt zählen sich 60 Sängerinnen und Sänger zu diesem Chor, der 2001 aus einem Sponti-Chor entstand und seitdem stetig wächst. Am Klavier überzeugte Damaris Krebs, Adam Mischnik unterstützte an den Percussions, Björn Jensen spielte den E-Bass und Gerd Hansen die Akustikgitarre. Gerd Hansen und Gary Funk übernahmen auch Gesangssoli.

Eineinhalb Stunden dauerte der musikalische Gottesdienst, der zugleich heiter und besinnlich war und auf diese Weise wunderbar in das bevorstehende Ende des Kirchenjahres und seine dunklen Gedenktage passte.

Impulse am Puls der Zeit

Bredstedt – „Das habe ich noch nie vorher gemacht, also bin ich sicher, dass ich es schaffe“ mit diesem Zitat von Kinderbuch-Autorin Astrid Lindgren eröffnete Susanne Kunsmann vom Evangelischen Kinder- und Jugendbüro Nordfriesland (EKJB) die kleine Feier zum 20. Jubiläum der Einrichtung in der Bredstedter St.-Nickolai-Kirche. Knapp 100 Gäste waren gekommen: Ehemalige und aktive Ehrenamtliche, Pastoren, Synodale und Kollegen. Drei Stunden ließen sie sich hineinnehmen in die Lebendigkeit, die das EKJB lebt und prägt bis heute.

Impro-Theater mit Witz und Charme

Statt langatmiger Grußworte gab es kurzweilige Interviews. Statt kluger Vorträge organisierte das Team ein Aufstellungsspiel, das die Gäste in Bewegung und in Kontakt miteinander brachte. Statt ernster Musik spielte die EKJ-Band um Jens-Uwe Albrecht moderne, geistliche Musik und aus den Bänken summten und sangen die Textsicheren mit. Das Improvisations-Theater „Improgramm“ aus Flensburg schließlich überraschte und begeisterte mit Witz und Charme, indem es das Publikum mitgestalten, sie über Figuren und Charaktere entscheiden ließ.

Propst Jessen-Thiesen: „Ihr seid toll!“

„Das habe ich vorher noch nie gemacht, also bin ich sicher, dass ich es schaffe“ – Neues ausprobieren, junge Menschen befähigen und ihnen Mut zu machen, Impulse setzen und am Puls der Zeit zu bleiben, Teilhabe zu ermöglichen, für Nächstenliebe, Toleranz und verantwortungsbewusstes Handeln in der Gesellschaft und für die Schöpfung einzutreten, all das kennzeichnet die Arbeit des EKJB. „Ihr seid toll“, sagte Propst Jürgen Jessen-Thiesen auf die Frage, was er dem EKJB schon immer mal habe sagen wollen. Und Susanne Kunsmann ihrerseits bedankte sich, auch im Namen des Teams aus Anna Ihme, Sebastian Hurst, Carola Nickels und Mika Petersen für die hohe Wertschätzung der Kinder- und Jugendarbeit im Kirchenkreis Nordfriesland.

20 Jahre EKJB

Den Menschen als Menschen wahrnehmen

Nordfriesland – Einen etwas anderen Urlaub erlebten sieben Nordfriesen im Oktober: Sie ließen sich von Susanne Kunsmann vom Evangelischen Kinder- und Jugendbüro in das ostafrikanische Tanzania entführen und lernten die Konde Diözese, die Partnerkirche des Kirchenkreises Nordfriesland, kennen. Dreieinhalb Wochen waren sie unterwegs, und sie zeigten sich tief beeindruckt vom Land und von den Menschen.

Vorurteile wurden abgebaut

„Mich hat berührt wie die Menschen in Tansania leben“, sagt zum Beispiel Birgit Groth (24) aus Bredstedt. „Sie besitzen nicht viel und sind doch glücklich und zufrieden. Sie nutzen was die Natur einen schenkt und leben in Harmonie zusammen.“ Gemeinsam spürte die Gruppe den so ganz anderen Lebensumständen nach, verglichen das dortige Werteverständnis mit dem eigenen und überlegten, wie hier wie dort ein Bewusstsein für das Miteinander verschiedener Kulturen, für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung geschaffen werden könnte. „Ziel der Reise ist“, so Susanne Kunsmann, dass die Teilnehmenden in ihrem jeweiligen Heimatkontext nicht nur schwarz und weiß, arm und reich, Geber und Nehmer sehen, sondern den Menschen als Menschen wahrnehmen.“ Nur so könnten Vorurteile abgebaut und zur internationalen Völkerverständigung beigetragen werden.

Vertrauen wagen

Alexandra Wohlgemuth (46) aus Husum hatte sich lange auf die Reise gefreut. „Die Freundlichkeit und der Lebensmut der Tanzania besticht immer wieder“, sagt sie. Überrascht sei sie gewesen von den überfüllten Klassenräumen in großen Schulen, von den vollgestopften Bussen und dem fürs deutsche Gemüt gewöhnungsbedürftigen Umgang mit der Pünktlichkeit, selbst bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Es habe eine Weile gebraucht, bis sie den Mut gefunden habe, auch einmal alleine loszugehen, dann aber sei sie zum Beispiel einer Marktfrau begegnet, die ihr in einer Nebenstraße etwas Schönes zeigen wollte, und das Vertrauen habe sich gelohnt. „Das war schön“, sagt sie.