Husum – Sympathisch, warmherzig und klug, dabei humorvoll und zugleich diskret – wer Gesa Kratzmann kennt, wird sie so beschreiben. 27 Jahre lang war sie Seelsorgerin in der Klinik Husum, saß an unzähligen Betten, hörte unzählige Geschichten, begegnete unzähligen Menschen und trug manches Leid mit bis zum Ende. Jetzt entband Propst Jürgen Jessen-Thiesen sie von ihren Aufgaben, Kollegen und Wegbegleitende dankten ihr herzlich für ihr Wirken und wünschten ihr Segen für den Ruhestand.
Der Dreierschritt der Seelsorge
Seelsorge geschehe in einem Dreischritt, erklärte Gesa Kratzmann in ihrer Abschiedspredigt, und dieser Dreischritt vollziehe sich oft im Schweigen und Zuhören. Er bestehe aus Hinsehen, Wahrnehmen und Halten. Genaues Hinsehen sei nötig, um zu verstehen, was Krankheit, Schmerzen und tragische Diagnosen in einem Menschen auslösen. Die Wahrnehmung geht noch einen Schritt tiefer, sie geht dem Schmerz hinter dem Schmerz nach, sucht die Person hinter der Krankheit, nähert sich der Seele des anderen unaufdringlich und unendlich vorsichtig. Und dann gilt es, zu halten und auszuhalten, was nicht änderbar ist. Nicht wegzusehen, nicht wegzugehen, sondern bleiben, wo andere sich abwenden.
„Manchmal habe ich euch beneidet, weil ihr etwas tun konntet“, sagte die Seelsorgerin mit Blick auf Ärzte und Pflegende. „Aber ich weiß, dass ihr auch manchmal mich beneidet habt, weil ich Zeit hatte zum Zuhören und zum Bleiben.“ Und sie äußerte ihren größten Respekt all denen gegenüber, die trotz großen Zeitdrucks immer wieder Zwischenräume für Zuwendung und Beistand fänden. Während sie sich anfangs noch eher auf Gynäkologie und die Onkologie spezialisiert hatte, besuchte sie später auch täglich die Intensivstation. „Wenn zum Beispiel jemand vier Wochen lang um das Leben seines Liebsten bangt, dann ist es gut und wichtig, dieses Bangen zu begleiten“, sagt sie.
Wahlheimat Nordfriesland
Einen Großteil ihres Berufslebens war die Theologin hauptberufliche Seelsorgerin und Supervisorin. Nach dem Studium in Kiel und dem Vikariat Hamburg war sie einige Jahre Pastorin in Flintbek und Bramfeld. Seelsorge war schon im Studium ihr Schwerpunkt; in den ersten Amtsjahren ließ sie sich dann zur Pastoralpsychologin ausbilden. 1990 wurde sie ans Predigerseminar Breklum gerufen. Diese Stelle war verbunden mit der Krankenhausseelsorge in Husum. „Ich bin total gerne nach Nordfriesland gezogen“, erinnert sie sich. Und die Ausbildung junger Theologinnen und Theologen habe ihr sehr viel Freude gemacht.
Seelsorge im Klinikum muss es auch in Zukunft geben
Der Dank beim Gottesdienst und beim anschließenden Empfang war groß: Propst Jessen-Thiesen lobte die 65-Jährige als einfühlsame und engagierte Pastorin, der die Begleitung von Patientinnen und Patienten ebenso wichtig war wie die Stärkung der Mitarbeitenden. Christian von der Becke, Geschäftsführer des Klinikums Nordfriesland, hob hervor, dass durch ihr Wirken die Seelsorge im Klinikum einen festen Platz habe und für die Zukunft unbedingt gesichert werden sollte.
Dr. Nils-Lennart Saß, Chefarzt der Inneren Medizin und Gastroenterologie, erinnerte an wichtige Stationen wie die Einweihung vom „Raum der Stille“ und die Gründung des Ethikkomitees, eines interdisziplinären Gremiums, das berät, wenn es Unklarheiten in Bezug auf die weitere Behandlung gibt. Dr. Andrea Magaard, Leitende Oberärztin in der Intensivmedizin und Anästhesie ist Vorsitzende des Komitees und fand sehr persönliche Worte des Dankes. „Es hat mir so gut getan, dich bei intensivmedizinischen Entscheidungen an meiner Seite zu wissen“, sagte sie.
Ein vierbeiniger Partner für den Ruhestand
Die Pastorin selbst trat – wie eigentlich immer – auch an diesem Tag eher in den Hintergrund, hörte zu, lächelte manchmal und wirkte im großen Ganzen eher nachdenklich. Zum Ruhestand will sie sich wieder einen Hund anschaffen, und die Mitarbeitenden schenkten ihr zum Abschied ein großes Hundekissen. Da lachte sie dann doch von Herzen: „Das Tier ist noch nicht einmal gezeugt, aber es hat schon einen Namen – und jetzt auch schon ein Kissen.“ Sein Name wird Selma sein.