Gestickt, gemalt, gedruckt oder genäht – mit ganz verschiedenen Techniken näherten sich 63 Menschen jeden Alters der Aufgabe, ein Corona-Tuch für die Kirche zu gestalten. Das Thema hatte Katja Kretschmar, Pastorin der Versöhnungskirche, vorgegeben: Was trägt, was hilft, was ist schwer in der Corona-Pandemie? Entstanden ist großes, buntes Triptychon voller Fragen und Antworten.
Es liegt nicht alles in unserer Hand
Mitgemacht haben Kindergartenkinder und Konfis, Schülerinnen und Schüler, Ehrenamtliche, SeniorInnen und auch Menschen, die bisher noch kaum in der Kirchengemeinde auftauchten. „Offenbar traf die Idee einen Nerv“, sagt Katja Kretschmar nachdenklich. „Viele suchen nach kreativen Wegen, ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Sie haben den Impuls gerne aufgenommen.“ Auch Kirchengemeinderätin Frigga Kamper hat eine Stück Stoff gestaltet. „Die Corona-Pandemie erinnert mich an die Zeit, als mein Mann auf der Intensiv-Station lag“, erzählt sie. Der Ausgang war völlig ungewiss, sie habe einfach nur noch Angst gehabt und lange gebraucht, um sich von dieser Erfahrung zu lösen. Wenn sie jetzt die Geschichten von künstlicher Beatmung, Koma und Intensiv-Medizin hört, ist das alles wieder da. „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ – sie hat das Gedicht von Dietrich Bonhoeffer auf den Stoff gemalt. „Dieser Text hat mich begleitet“, sagt sie. „Es liegt nicht alles in unserer Hand.“
Vom Schmachtlappen zum Corona-Tuch
Den organisatorischen Rahmen bot die Bitte von Katja Kretschmar, ein 37 Quadratzentimeter-Tuch – einerlei welcher Farbe oder welchen Stoffes – zu gestalten. Sie nahm damit die Idee des Hungertuchs oder auch des „Schmachtlappens“ auf: Mit ihm wurden seit dem Mittelalter in der Fastenzeit die bildlichen Darstellungen Jesu verhängt. Später griff die katholische Hilfsorganisation Misereor den Gedanken auf und ließ jedes Jahr ein neues Hungertuch von Künstlern aus den Entwicklungsländern gestalten. Es ist ein Tuch mit manchen Klagen, vielen Sehnsüchten und doch voller Hoffnung geworden. „Maske tragen nervt“, schreibt ein Schulkind, dass „die Suhlen zu sint“, fand ein anderes blöd. Gedichte, Gebete und Bilder zur Bibel, ein Herz aus Knöpfen, eine Blume voller Dankbarkeit. Gemeinschaft, Glaube, Liebe und Hoffnung – das ist, was durch diese Zeit trägt. So wird das Corona-Tuch zu einer Predigt von vielen, die sich nicht entmutigen lassen, sondern wissen, woher ihnen Kraft kommt.
Vorstellung am Karfreitag
„Die kleinen und großen Künstler haben viel Freude daran gehabt, gemeinsam an etwas zu arbeiten“, so Katja Kretschmar. Gabriela Bläß nähte die Elemente ehrenamtlich zusammen. Am Karfreitag um 15 Uhr wird dieses besondere Tuch im Mittelpunkt des Gottesdienstes in der Versöhnungskirche stehen. Anschließend ist das Corona-Tuch in der Marienkirche zu sehen.