Ladelund – In der Nacht zum 1. Oktober 1944 begannen mit einem Anschlag niederländischer Partisanen auf deutsche Wehrmachtsoffiziere die schrecklichen Ereignisse, die das Dorf Putten über Generationen prägen sollten: Als Racheakt setzte die Wehrmacht 660 Männer des Dorfes fest und deportierte sie in deutsche Konzentrationslager, 540 von ihnen starben, viele von ihnen im Ladelund unter katastrophalen Bedingen.
75 Jahre ist das jetzt her. Zum Gedenken war Anfang Oktober eine Ladelunder Delegation nach Putten gereist. Zum Volkstrauertag machten sich mehr als 100 Niederländer auf den Weg nach Nordfriesland, um die Versöhnung zu festigen und für den Frieden zwischen den Völkern einzutreten.
Bewegender Gottesdienst
Die Ladelunder St. Petri-Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, und der Gottesdienst wurde per Video in die Gedenkstätte übertragen. Gemeinsam mit Ehrenamtlichen aus Putten und Ladelund gestalteten Pastor Hans-Joachim Stuck, Pröpstin Annegret Wegner-Braun und Dr. Werner Gugler, Pfarrer der Anderskerk Putten, den Gottesdienst. Die Liedtexte waren jeweils in beiden Sprachen abgedruckt. Unter den Gästen war Hylke H. Boerstra von der Botschaft des Königreichs der Niederlande, Gothart Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig, und Henk Lambooij, Bürgermeister der Gemeinde Putten. Letzterer unterzeichnete im Anschluss gemeinsam mit Lutz Martensen, dem Ladelunder Bürgermeister, einen Partnerschaftsvertrag der beiden Kommunen.
Schuld kann vergeben werden
Es war ein bewegender Gottesdienst, bei dem viele vertraute Texte auf einmal anders klangen. „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen“, damit begann Pastor Stuck den Gottesdienst. Das 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums klang hart in diesem Rahmen: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben“, sagt Jesus dort zu den Verdammten. „Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet“ – das rief die Erinnerung an die ausgehungerten und frierenden Häftlinge hervor, die November bis Dezember 1944 Tag für Tag durch das Dorf getrieben wurden. „Was nun unser Dorf erlebte, war derart grauenhaft, dass das Erleben zu schildern einfach unmöglich ist“, so zitiert die Ausstellung den damaligen Pastor Johannes Meyer. Es predigte Dr. Werner Gugler. „Schuld kann vergeben werden“, sagte er. „Am Kreuz hat glücklicherweise ein anderer meine Schuld bezahlt“
Hymne der Freundschaft
Wie jedes Mal war es ein besonderer Moment, als Deutsche und Niederländer gemeinsam das Lied „Wie lieblich schön, Herr“ (EG 282) sangen. Dieses Lied nimmt Worte des 84. Psalms, die den Deportierten Wegzehrung waren, als sie sich am frühen Morgen des 2. Oktober 1944 zum letzten Mal in ihrer Heimatkirche trafen. Anschließend wurden sie nach Neuengamme deportiert, für viele von ihnen ging es weiter nach Ladelund. Auch dieses Lied war in beiden Sprachen abgedruckt, aber niemand sang es auf deutsch. „Wlhalig hij die al zijn kracht En hulp alleen van U verwacht” – es ist so etwas wie die Hymne der Begegnung und Symbol der Freundschaft geworden.
Info: In Ladelund begann die Aufarbeitung des Schreckens früh: Bereits 1946 suchte Johannes Meyer, der damalige Pastor der Kirchengemeinde, Kontakt zu den Angehörigen. Er fand Worte, die die Schuld benannten, und gleichzeitig trösteten. Aus diesen Briefen entstand eine Jahrzehnte und Generationen überdauernde Freundschaft zu den Puttenern, die Haus um Haus Vater, Bruder, Sohn oder Ehemann betrauerten. Über den Gräbern begann Versöhnungsarbeit, die in ihrer unmittelbaren Menschlichkeit und in der Persönlichkeit der Kontakte bundesweit einzigartig ist.